Endlich authentisch gereist

Wen stört es auch ein wenig, die eigene Sprache am Urlaubsort zu hören? In einem weiteren Schritt drängt sich so manchmal dann der Wunsch auf einen Ort zu reisen, an dem gar keine anderen Touristen sind. Am aller wenigsten die, die einen auch verstehen. Wäre es nicht schön, die „beliebten Orte“ ganz einfach ohne Touristen zu genießen? Wäre das nicht eine wahrlich „authentische“ Erfahrung des Orts? Schlange stehen für die Attraktionen oder bekannten Restaurant einfach gespart.

Ich versuche ja diese Orte zu meiden und gleichzeitig ertappe ich mich auf Reisen immer mal wieder an genau diesen Orten. Vermutlich wäre man ansonsten gar nicht da. Kann man überhaupt Authentizität auf einer Reise erfahren? Als vermeintlicher kosmopolitischer Kenner und Besserwisser, verlächelt man manchmal jene Menschen, welche im Sommer an einen der spanischen Strände in einem der tausenden Hotels drei Wochen ihrer Sommerferien verbringen. Vermeintlich ist man moralisch überlegen, wenn man zwischen dem Genuss einer lokalen Kaffeespezialität und dem Mittagessen einen Prunkbau der lokalen Herrscherfamilie passiert.

Und ja: du sammelst Spracheindrücke ein, sammelst Fetzen aus der Geschichte des Landes auf und lernst neue kulinarische Perspektiven kennen. Du tauchst in ein Kapitel der Weltgeschichte ein, welches dir noch gar nicht so bewusst war. Trotzdem bleibt eine gewisse Dissonanz, dem Ort nicht gerecht worden zu sein. Irgendetwas fehlt, vielleicht weil du nicht wirklich ein bedeutsames Gespräch mit den Menschen vor Ort geführt hast. Und wie viel Zeit verbringst du denn überhaupt zuhause als Bewohner deines Ortes mit Betrachten der Sehenswürdigkeiten? Ist man nicht vergleichbar ignorant wie diejenigen, die man eigentlich belächelt? Wahrscheinlich ja. Machen die es nicht richtig und gehen dieser Dissonanz ganz aus dem Weg?

Wie können wir diese Dissonanz sinnvoll auflösen? Vielleicht fangen wir erst andersherum an. Wie können wir hier mehr Räume schaffen für Reisende, die unser Land erleben wollen, wie es „wirklich“ ist? Sie in die Restaurants mitzunehmen, die das Gefühl von „Heimat“ wirklich ausmachen. Sorgen und Ängste sowie Wünsche und Hoffnungen auszutauschen, an denen man erkennt, dass wir alle doch auch ähnlich und gleichzeitig vielfältig sind. Um mehr von einer Reise zu hinterlassen, als ein Bild eines durch Mächtige erbauten Stückes Beton, Stein oder Stahl im Speicher. So, dass bei einer Reise die Menschen, Gespräche und neue Ideen in Erinnerung bleiben.

Lasst uns enger zusammenrücken, zuhause wie unterwegs. Setzt euch an den Tisch mit Anderen, wenn im Restaurant wieder kein Platz ist. Helft, wenn jemand am Bahnhof einen fragenden Blick hat. Fragt im Urlaub einfach, welche (auch vermeintlich unscheinbaren) Orte euer Gegenüber empfehlen kann. Und sprecht auch mit denen, die im Café zwei Tische weiter sich in eurer Sprache unterhalten. Schafft Plattformen, die einen Austausch ermöglichen um den Ort so richtig kennenzulernen. Vielleicht ergibt sich etwas wahrlich authentisches.

Lasst uns das Reisen neu denken. Lasst uns wieder mehr auf uns Menschen fokussieren. People first, sights second.

Das Menü der Woche findet ihr hier.

euer RdF

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