Der international anerkannt hohe Sicherheitsstandard in der Zivilluftfahrt ist auf effektiv funktionierende und fest im Betrieb integrierte Safety-Management-Systeme zurückzuführen. Jüngste und sich vermeintlich häufende Vorfälle werfen öffentlichkeitwirksam die Frage auf: Wie steht es um unsere Sicherheit in der Luftfahrt und wie kann Fliegen noch safer werden?
Erste Frage vorweg: Es steht sehr gut um unsere Sicherheit im Luftverkehr. Wer jetzt noch weiterlesen will, bekommt zu Beginn eine statistische Übersicht: Die Wahrscheinlichkeit auf einem Linienflug tödlich zu verunglücken ist dezimal gering, oder in Zahlen ausgedrückt bei etwa 1 zu 11.000.000. Da sind wir im Straßenverkehr mit 1 zu 8.000 schon etwas gefährlicher unterwegs. Doch zu den Grundlagen: Im Englischen, der international verwendeten Sprache der Luftfahrt, wird uns die Trennung des wohl bedeutsamsten Themenkomplexes zur Produktion des Mobilitätsguts ‚Luftverkehr‘ leichter gemacht: Safety und Security. Auf die Unterschiede möchte ich bei Unklarheiten auf eine kurze Google-Suche oder dem Besuch damit verbundener Studiengänge verweisen. Beschäftigte uns in der ersten Jahreshälfte von 2024 noch das Thema Security, durch die Abwehr von äußeren Gefahren und Bedrohungen (z.B. sogenannte Klimaaktivisten, die unbefugt in Flughafensysteme eindrängten und den Flugbetrieb lahmlegten), so ist der mediale Fokus in der zweiten Jahreshälfte und auch fortgesetzt seit Anlaufen dieses Jahres auf safety-relevanten Vorfällen gelegen. Zu den wohl bedeutsamsten Ereignissen gehört hier die Kollision eines Helikopters mit einem Canadier-Jet in den USA oder der Absturz einer Boeing 737 mit litauischen Vilnius, welche beide noch nicht vollständig aufgearbeitet worden sind. Insgesamt ist die Flugsicherheit im europäischen Kontext seit Jahren in stetiger Verbesserung, auch wenn 2024 ein leichter Anstieg der Unfallzahlen verzeichnet wurde. Jedoch liegt die Null-Todesrate seit 2018 in Europa weiterhin bei einem guten Wert mit 1,02 pro eine Millionen Flüge. Die Wahrnehmung eines Unfalls und der damit verbunden Tragik ist vor allem zum und kurz nach dem Vorfall immens hoch, gefolgt von medialen Publikationen, sinkt aber anschließend linear stark ab, bis zu dem Zeitpunkt, bei dem von relevanten Untersuchungsupdates nur noch in den Fachzeitschriften berichtet wird.
Luftfahrt-Fans und Professionals kennen unlängst die Websiten Aviation Herald oder Airlive, welches Web-Portale sind, die sich insbesondere auf safety-relevante Ereignisse oder weitere Unfälle in Bezug zur Luftfahrt beschäftigen. Erliest man dort die Vielfalt der verschiedenen Ereignisse, wird einem jedoch bewusst, dass es weitaus mehr Geschehnisse gibt, als die in den großen Medien berichteten. Die Portale „leben“ davon, von Insidern und Reports gefüttert zu werden. Doch auch heir gelangen selbstverständlich nicht alle Ereignisse in die Portale. Ist man einmal selbst mit einem SMS vertraut gewesen, sieht man, der zuvor unsichtbare Eisberg ist noch größer, mit vielen verschiedenen Performance-Indikatoren verknüpft und teilweise in den Systempartnern des Luftverkehrs übergeordnet geclustert. Zumeist stehen im bekannten Käsescheibenmodell in proaktiven und reaktiven Betrachtungen zu einem (pot.) Ereignis meist noch ausreichende Scheiben mit verhältnismäßig wenig Löchern zur Verfügung, allerdings werden diese Löcher zur Zeit partiell größer und durchdrungen (Beispiel GPS Jamming/Spoofing, Ground Incidents, schwere LFZ-Beschädigungen, Near Misses und TWY/RWY Incursions, Vorfälle mit Personenschaden, FOD, Drohnen und weiteren). Dass diese Ereignisse im Hintergrund des öffentlichkeitswirksamen Lichtes von Safety-Experten aufgearbeitet und gemanaget werden ist wichtig und richtig so, Fliegen lässt sich dem Menschen nur vermarkten, wenn es vollumfassend sicher ist.
Safety Management Systeme gelten heute als unverzichtbarer Bestandteil der Sicherheitskultur. Wichtig ist, dass sich das SMS zu den aktuellen teils negativen Safety-Trends nicht auch noch in falsche Richtungen bewegt, damit meine ich ein „Safety by papaerwork only“, unvollständige Datengrundlagen zur Entscheidungsfindung, fehlende Implementierungen sicherheitsrelevanten Bereichen, Finger-Pointing mit Safety-Begründungen zur Feststellung von Schuld und begrenzte Wirkungen bei komplexen Systemrisiken i.v.M. Human Factors. Das z.B. regelmäßig Safety Manager in autoritären Staaten bei Vorfällen ins Gefängnis müssen, ist fatal und genau das Gegenteil von dem, was ein SMS eigentlich sein soll – offen und mit einer Just Culture belebt: Was muss ich tun, damit dieser Vorfall nicht wieder passiert? Wie lassen sich pot. Gefahren vorab mitigieren? Safety Management Systeme haben sich als unverzichtbares Werkzeug zur Stärkung der Flugsicherheit erwiesen – insbesondere durch ihre proaktive und systematische Herangehensweise. Wenn der globale Luftverkehr weiter so drastisch wachsen soll, wird das Dasein und Effizienz des jew. Systems auch immer bedeutsamer. Die tatsächliche Wirksamkeit hängt aber entscheidend von Kultur, Ressourcen und Umsetzungstreue ab. Ein SMS ist dabei kein Selbstzweck, sondern muss von allen gelebt, verstanden und ständig weiterentwickelt werden. Für die diversen und komplexen Herausforderungen, z.B. der Integration neuer Flugzeugmuster, sich verändernder Flughafeninfrastruktur oder personelle Herausforderungen ist ein proaktives Risikomanagement wichtiger denn je, um so den steigenden Tendenzen an Safety-Ereignissen (die keine Unfälle sind) entgegenzuwirken. Diese „unsichtbare“ oft im Erfolg nicht messbare Königsdisziplin darf dann gerne auch mehr in der Öffentlichkeit publik gemacht werden, doch das ist im medialen System, wie es derzeit gestaltet ist, wohl nicht schlagzeilentauglich genug – da bleibt die Wahrscheinlichkeit eines Unglücks auch weiterhin einfach viel zu gering.
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