Die Freiheit des Bargeldes

Digitale Währungen, kontaktloses Zahlen, oder eben einfach die EC-Karte überall dabei haben und hiermit auf das lästige Klein- und Münzgeld verzichten. Das bargeldlose Zahlen ist längst komfortable Realität. Und hat seine Vorteile. Doch es gibt auch Schattenseiten. Ein paar Gedanken vom Fortschrittsversprechen zum Kontrollinstrument der Kartenzahlung und warum wir deshalb weiterhin auch mal in bar bezahlen sollten.

Bargeld, als grundsätzliche Währung der letzten Jahrhunderte etabliert und in unseren Systemen anerkannt, bringt etliche Vorteile mit sich. Über die Flexibilität der Ausgaben, hin zu einer gewissen Selbst- und Budgetkontrolle, ist für mich neben der Inklusivität und sofortigen Zahlung der Aspekt der Freiheit des Umgangs mit diesem Zahlungsmittel vor allem entscheidend. Habe ich das Geld von meinem Konto abgehoben? Ist es von einem Kleinanzeigen Verkauf (?) oder wurde es mir geliehen, es ist nicht nachvollziehbar und kann nicht verfolgt werden. „Cookies“ zu Werbezwecken können das Bargeld auf mein Konsum- und Einkaufsverhalten ebenfalls nicht tracken, und mich hiermit nicht direkt in weitere kapitalistische Konsumgelüste bewegen. Und: Händler müssen für das Entgegennehmen meines Geldes keine Gebühren an Großkonzerne abrichten, wie bei den EC-Servicekartenanbieter die Umkosten für kleine Geschäfte oft zur Herausforderung werden. Selbst die kleinen Geschäfte müssen mittlerweile oft bargeldlose Zahlungsmöglichkeiten anbieten, des Marktes wegen. Die Kosten dafür, die zum Teil erheblich sind, dürfen nicht an die Kunden weitergegeben werden. Profitieren tun die Konzerne, die bargeldloses Zahlen anbieten: Visa, Mastercard, American Express, PayPal u. a..

Bargeld garantiert Freiheit – wer nur noch digital bezahlt, liefert sich partiell freiwillig der totalen Kontrolle aus: Das Konto wird zum Logbuch seines Lebens, welche Lebensmittel er (oder sie) bevorzugt, was man gern trägt, wohin man wie oft gerne verreist, welche Hobbies man hat und wann man an welchem Ort besonders viel Geld ausgibt und natürlich – welche Einkommensquellen es gibt. Mit strengen Gesetzen geschützt und ohne staatliche Eingriffe der Kontrolle gegenüber dieser Ausgaben noch soweit akzeptabel, dennoch sollte man sich bewusst sein, dass alles genau registriert wird.

Und die Moral beim digitalen Bezahlen? Die meisten Menschen sind stolz darauf, bei der Fahrscheinkontrolle ihr Handy zu zücken. Man ist progressiv, auf der Höhe der Zeit. Auf diejenigen, deren Hand sich noch um einen Papierausdruck krampft, sieht man manchmal herab (Gleichso wie: „Wieso dauert das denn an der Kasse da vorn wieder so lange“?). Neulich habe ich einen jungen Mann gesehen, der an der Kasse meines Supermarkets sein Handgelenk über den Kartenautomaten hielt. Das ist der Gipfel der Progressivität, denn ein Handy kann man auch einmal verlieren, oder es wird geklaut. Und: SB-Terminals bieten meist auch nur noch die Kartenzahlung, konventionelle Kassen werden zurückgebaut. Natürlich zahlt man dann gezwungenermaßen gerne an ihnen, wenn sich an der einzig noch verbleibenden normalen Kasse, wie der meines Rewes, dann lange Schlangen bilden.

Dagegen haben die Spanier zu ihrem Leidwesen erfahren, was passiert, wenn es einen Blackout gibt. Schlagartig stehen alle Zahlungssysteme still. Man kann nichts mehr kaufen, auch keine dringend benötigte Milch für das Baby oder Medikamente für die Oma. Man kann nicht tanken oder ein öffentliches Verkehrsmittel benutzen, selbstverständlich auch kein Geld abheben. Das Leben kommt komplett zum Erliegen. Plötzlich wird klar, mit Bargeld kann weiter bezahlt werden, es bestehen weniger Abhängigkeiten zu der Funktionsfähigkeit anderer Systeme. Hat man dann noch welches zur Hand?

Von einem „Krieg gegen das Bargeld“, wie viele systemktische Personen schreiben und auch in Büchern zusammengetragen wird, würde ich dennoch nicht sprechen. Wir, die Bürger entscheiden immer noch, wie wir bezahlen, und welche Mehrheiten wir damit setzen. Es lassen sich jedoch Bemühungen erkennen, die von den Regierungen geführt wird, um Bargeld weiter unattraktiver zu machen. Während die Regierungen systematisch die Bargeldobergrenzen senken – ab 2027 gilt EU-weit eine Bargeldobergrenze von 10.000 Euro – , welches von den Ländern selbst nach unten angepasst werden kann, gibt es weitere gesetzliche Lockerungen, um bargeldlose Zahlungen besser zu tracken. Von einer Kontrolle des Finanzamtes und den umfassenden Eingriffsmöglichkeiten ganz zu schweigen. Dänemark liegt derzeit bei 2.000 Euro, Griechenland sogar bei 500 Euro Untergrenze. Damit kann man noch Käufe tätigen, darüber gilt nur noch die Karte. Ziel: Alle Bürger sollen ein Konto besitzen. Das hätte den bösen Vorteil, dass eine der wirkungsvollsten neuen Strafen für Andersdenkende die Kontokündigung oder Einschränkung ist, so wie man es in autoritären Staaten schon jetzt mit Sozialkreditsystemen erkennt. Doch auch in freien Ländern ist Vorsicht geboten: Der kanadische Premier Justin Trudeau hat damit sogar einen Trucker-Aufstand erstickt, indem er den aufsässigen Fahrern die Konten kündigen ließ. Die Banken machen da problemlos mit. Die ING-DiBa kündigte in einigen Beispielen nicht nur unliebsamen Regierungskritikern die Konten, sondern sie hat auch angekündigt, in der Maxime Konten von Unternehmen zu kündigen, die sich nicht klimagerecht verhalten. Bargeld, so wird immer wieder seitens der Politik versichert, könne nicht abgeschafft werden, weil es einen gesetzlichen Bargeldschutz in Europa gäbe. Aber was die Politik nicht kann, vermag dies der Markt? Immer mehr Unternehmen akzeptieren – freiwillig oder gezwungen – nur noch Karten.

Jeder soll und darf sein Zahlverhalten selbst bestimmen. Botschaftlich soll zum Nachdenken angeregt werden, dass Bargeld trotz der Nachteile, die zweifelsfrei auch existieren, eine reinere Form der Freiheit und freiheitlicher als digitales Zahlen ist. Cash is King. Ob der digitale Euro, der vor seiner Einführung steht, hier eine Alternative darbietet, möchte ich an anderer Stelle untersuchen. Wir sollten das Bargeld (zumindest gelegentlich) nutzen, um es zu erhalten und uns kritisch mit den Folgen einer Teilabschaffung des Bargeldes befassen.

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